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Ausplünderung der Juden durch das Finanzamt

Aktualisiert: 29. Apr. 2023

Ex-Finanzbeamtin Andrea Kampen berichtet vor LandFrauen über den Nationalsozialismus



"Der Physischen Vernichtung der Juden ging ihre finanzielle Vernichtung voraus".

Das sagt Andrea Kampen, die 40 Jahre für die niedersächsische Finanzverwaltung gearbeitet hatte und für die Finanzverwaltung im Raum Oldenburg,speziell für Delmenhorst die rühmliche Vergangenheit der Behörde aufgearbeitet hat.

Sie repäsentierte jetzt während einer Veranstaltung des LandFrauenvereins Achim und Umgebung ihre Erkenntnisse zur Enteignung der Juden durch die Finanzverwaltung.


Mit Informationen aus 7.000 im Hauptstaatsarchiv in Hannover noch vorhandenen Einzelakten zeigte sie exemplarisch das Schicksal des jüdischen Rechtsanwalts und Notars

Dr.Ernst Jacobsen und seiner Familie auf. Während Ernst Jacobsen,zugleich auch Vorsitzender der Synagogengemeinde in Osnabrück, unter mysteriösen Umstände in einem Schrebergarten tot aufgefunden wurde, gelang danach 1939 der Witwe und den Kindern noch die Auswanderung in die USA.Wie alle Juden waren sie aber schon bettelarm. Dazu dienten etliche Gesetze des nationalsozialistischen Regimes, die das Vermögen der Juden ab

5.000 Reichsmark abschöpften, sie mit höherer Einkommenssteuer belasteten, ihnen Steuererleichterungen für Kinder und Zinsen nahmen und ihnen auch die Judenvermögensabgabe in Höhe von einer Milliarde Reichsmark nach der Terrornacht vom Nov.1938 auferlegten. Die schon zum Ende der Weimarer Republik gegen Kapitalflucht eingeführte Reichsfluchtsteuer wurde gezielt auf Juden angewandt, die auswandern wollten oder im Verdacht standen, auszuwandern. Informationen über Auswanderungspläne holte sich das nationalsozialistische Regime aus einem Spinnennetz von Banken,Versicherungen,Post,Spediteuren,geheimer Staatspolizei, Nachbarn u.a. Im Falle einer möglichen Auswanderung hatten Juden eine Reichsfluchsteuer in Höhe von 25% ihres Vermögens als "Sicherheitsleistung" zahlen müssen.Juden, die das Land verlassen hatten, ob durch Emigration oder Deportation, verloren die Staatsbürgerschaft und ihr gesamten Vermögen. "Eine legale und gezielte Ausplünderung der Juden durch die Finanzverwaltung". nannte die Referentin das. Andrea Kampen weiter: "Sie arbeitete legal,gründlich, perfekt, mitleidlos jede ihnen gestellte Aufgabe erfüllend und konnte sich immer hinter dem Gesetz verstecken". Galt doch der oberste Grundsatz : "Steuergesetze sind nach der nationalistischen Weltanschauung auszurichten".

Da hatten die Vorsteher der Finanzämter keine Skupel, bei den von Juden konfizierten Möbeln und anderen wertvollen Gegenständen für ihr Amt oder sich persönlich zuzugreifen. Auch Krankenhäuser waren dankbar für jede Ausstattung jüdischer Arztpraxen.

Was die staatlichen Behörden sich nicht nahmen, wurde zu Schnäppchenpreisen bei öffentlichen Versteigerungen unters Volk gebracht. Sie wurden stets in Zeitungsanzeigen angekündigt und waren sehr beliebt. Andrea Kampen: "Die normale Bevölkerung kann nicht sagen, wir haben nicht gewusst, dass die Juden ausgeraubt wurden".

Es waren geschätzt 941 Milliarden Reichsmark, die man denJuden und politische Verfolgten wegnahm. Nach dem Krieg gab es "Entschädigungen", jahrelang betrieben von den gleichen Finanzverwaltungen.

Die Referentin ist aber weit davon entfernt, auf die Zeitgenossen und ihre damaligen Kollegen und Kolleginnen mit dem Finger zu zeigen: "Ich möchte nicht in dieser Zeit, dieser Diktatur gelebt haben." Es geht der Referentin nicht um Schuldzuweisung, sondern um die ehrliche Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, um Lehren für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen.

Um diese Aufarbeitung hatte sich bis 1995 die Finanzverwaltung gedrückt, mit dem Hinweis auf das Steuergeheimnis

und die Gesellschaft mit ihrem Archivgesetz, das wenigestens nach 50 Jahren zugänglich wurde.


Sigrid Hustedt, selbst frührer Finanzbeamtin und stellvertretende Vorsitzende des Achimer LandFrauenvereins bedankte sich für den "atemberaubenden Vortrag", der ganz im Sinne des Landfrauenvereins gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus sei. Sie hätte sich jedoch mehr Zuhörer und Zuhörerinnen gewünscht.


Bericht : Manfred Brodt/Achimer Kreisblatt


Foto: Marc-Andreas Hustedt



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